schwyzerdütsch
Guten Tag,

als Deutscher, der in Süddeutschland nicht weit von der Schweizer Grenze wohnt, verfolge ich aus Interesse auch gerne die Nachrichten aus meinem Nachbarland. Eines fällt mir dabei immer wieder auf. Obwohl die Nachrichten in deutscher Sprache gesprochen werden, kommen vereinzelt Worte vor, die ich nicht verwenden würde. Zum Beispiel werden in der Schweiz immer wieder Personen inhaftiert, die der "Geldwäscherei" verdächtigt werden. In Deutschland werden solche Personen verdächtigt, "Geldwäsche" betrieben zu haben. Die Aktion ist das Verbrechen und keineswegs der Ort des Geschehens. Mich würde interessieren, wie es zu diesen Unterschieden kommt. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Mit freundlichen Grüßen
breazzless


Sehr geehrter Herr breazzless
danke für Ihre Mail. In der Schweiz wird konsequent von Geldwäscherei gesprochen; dies auch in den entsprechenden Gesetzen und Texten des Eidg. Finanzdepartementes (www.admin.ch). Eine Erklärung aufgrund der Sprachforschung habe ich nicht.
Mit freundlichen Grüssen.
F. L., stv. Redaktionsleiter Tagesschau




jean stubenzweig am 25.Sep 10  |  Permalink
Das Schweizerische
erobert auch sprachlich unaufhaltsam das Deutsche. So sagt der junge Deutsche längst schlußendlich, wo seine Eltern noch letztendlich anstimmten, oder verunfallt, wenn jemand einen Unfall hatte. Und auch beim längst die Grenze überschritten habenden, gleichwohl inkonsequenten AküFi (Abkürzungsfimmel) meine ich, Schweizerisches zu entdecken («Eidg. Finanzdepartementes»). Eine etymologische Erklärung habe allerdings auch ich nicht. Ich führe es schlicht auf einen Pragmatismus zurück, der eigenwillig oder schlußendlich auch vor dem Eindampfen von Sprache nicht haltmacht, um sie sogleich eigenartig neu zu kreieren; das entspricht jedenfalls meinen schweizerischen Erfahrungen. Aber fragen Sie doch mal bei Herrn Wiese nach. Das Schweizerische ist dessen Thema schlechthin.

breazzless am 02.Okt 10  |  Permalink
Das "Schweizerische" erobert das "Deutsche"?
Eigentlich dachte ich, dass die neutrale Schweiz sich nicht mit Eroberungsgedanken beschäftigt.

Ich persönlich halte mich für relativ resistent gegenüber der Adoption von sprachlichen Wortschöpfungen aus der Schweiz, obwohl ich an der Grenze lebe. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich generell für Dialekte nicht sehr empfänglich bin.

Wenn Niki Lauda, zugegeben kein Schweizer, mir alle 2- 3 Wochen erklärt, dass Formel 1 Fahrer X schneller "wie" Fahrer Y war, bin ich jedesmal wieder froh darüber, dass sich mir wie eh und je die Nackenhaare aufstellen.
Zugegeben, ich zweifle selbst öfter an meinem Verstand, weil ich mir die Im-Kreis-Herumfahrerei (!) immer wieder ansehe.

Meine Nackenhaare sträuben sich auch bei dem Wort "Geldwäscherei" heftig.

Gerne lasse ich mich von einer Frau erobern, aber die Schweiz hat bei mir keine Chance, sorry!

PS: Ihrer Anregung, die Seite von Herrn Wiese aufzusuchen, bin ich gerne gefolgt. Danke für den Hinweis.

jagothello am 25.Sep 10  |  Permalink
Vielweiberei
was für ein hässliches Wort! Aber es gibt ja auch noch die Völlerei (das Einerlei zählt hier nicht). In Köln kennt man die Lamentiererei, was schon für sich genommen darauf hinweist, dass Sprache regionale Eigenheiten bewahrt. Insofern wäre es möglich, dass auch die "Wäscherei" nicht nur Ort, sondern eben auch aktives Vorgehen meint im Sinne: "Sie betreiben die Geldwäscherei."

jean stubenzweig am 25.Sep 10  |  Permalink
Lamentiererei,
das ist ja wohl eine Eindeutschung von Lamentation, hier also etwa Klagerei; gerade in Köln hat man sich ja gelockert mit dem Französischen zurechtgefunden.

Aber wie kommen Sie denn auf Vielweiberei? Habe ich etwas übersehen? Auf jeden Fall ist das kein schweizerischer Begriff. Polygynie wurde allgemein ins Deutsche übersetzt. Neudeutsch klänge das auch nicht schlecht: Polygamerei.

jagothello am 25.Sep 10  |  Permalink
Liebhaberei, Schwärmerei
Wäscherei... Das nominalisierende Suffix -erei scheint der deutschen Sprache nicht ganz fremd zu sein, wenn auch sicherlich mehr und mehr verblassend und durchaus nicht nur verweisend auf den Ort des Tuns wie in der Brauerei, sondern auf das Tun selbst. In der Schweiz war ich dreimal in meinem Leben; viel zu wenig, um idiomatische Eigenheiten auszumachen- aber vielleicht pflegt man dort gewissenhafter seine semantischen Traditionen? Soll ja eh ein recht wertebeständiges Völkchen sein. Das ist natürlich nichts weiter als eine Vermutung.
Noch aber etwas fällt mir auf: Besagtes Suffix erzeugt ausschließlich Nomen femininen Geschlechts (oder irre ich?). Wer von Schreierei spricht, von Drückebergerei, von Rennerei will hinzugesetzt wissen ein "elende". Die Konnotation ist durchweg pejorativ und solche Bedeutungsverschlechterung in Verbindung mit dem regelmäßig Femininen... Interessant, interessant unsere Sprache.

buecherabissz am 25.Sep 10  |  Permalink
Man kann es auch so sehen...
Was macht eine Nation aus? Antwort: Die Sprache, die Kultur und die politische Gemeinsamkeit ihrer Bürger. Bei letzterer sind die Schweizer Basisdemokraten unverwechselbar. Bei Sprache und Kultur aber sind die nationalen Grenzen manchmal verwischt. Auf Goethe und Schiller berufen wir uns doch alle und auf Wilhelm Tell die Schweizer besonders. Es gab Zeiten, wo Schweizer wahrscheinlich besonders genervt waren, die gleiche Sprache wie ihr großer brauner Nachbar zu sprechen. Da sucht man halt auch in der Sprache kleine Unterschiede und Abgrenzungen. „Ferien“ statt „Urlaub“, „Barmaid“ statt Bedienung und vieles mehr. Kein Deutscher sollte deshalb bei jeder Schweizer „Verzweigung“ auf die Bäume gehen und dabei auch noch verunfallen. Ach würden wir Deutschen doch von den Schweizern lernen, wie man drei Nationen in eine integriert.